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Paula Knell |
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Als ich 1966 geboren wurde, war Tante Paula
77 Jahre alt. Ich erinnere mich an sie nur als alte Frau.
Immer im Duett mit Tante Loisi (Aloisia). Immer draussen
in Glaubendorf.
Die Schwestern - beide unverheiratet und kinderlos - haben
dort in ihrem Geburtshaus auch ihren Lebensabend verbracht
(und sich wohl auch um ihre Mutter Franziska Knell gekümmert
haben, die dort 1960 starb).
Tante Paula war als ältestes weibliches Kind für ihre anderen
Geschwister so was wie eine "zweite Mutter". Sie ging als
erste nach Wien und ebnete dort so manche Wege, gewährte
ihnen Unterkunft und kümmerte sie dennoch auch noch um Glaubendorf.
Sie lebte im 20. Bezirk Brigittenau, wurde Postbeamtin,
wie so viele andere dann in der Familie Knell. |
Tante Loisi (Aloisia) und Tante Paula in Glaubendorf |
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Brief von Tante Paula, September 44
Liebe Reserl!
Vernehme soeben von Grete, dass du und Gerhard krank seid.
Hoffentlich ist es nicht arg. Schaue ein wenig auf dich und
sei nicht leichtsinnig. Gebt Gretl Bescheid über dein
Befinden. Bleibt Loisi länger bei euch? Hast du Bäume
schon gesetzt? Was ist mit dem Umgraben?
Grüße und Küsse euch herzlich
Paula Samstag habe ich große Wäsche, ist aber nicht
so arg.
Ich höre soeben, man darf mit der Bahn ohne Bestätigung
nicht fahren. Habe aber noch Urlaub und zum Urlaub kriegt
man eine Bestätigung. Die Post geht jetzt sehr langsam.
Wir haben die Schneckenpost. |
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Tante Paula als Touristin (links) |
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Brief von Tante Paula nach Glaubendorf, 24. März 44
Meine Lieben! Für euren Brief mit den Wünschen recht schönen
Dank und Reserl muss ich noch extra danken für die gute
Mehlspeis, die mir Ly brachte.
Zum Schreiben komme ich halt
doch nicht. Früher konnten wir wenigstens im Luftschutzkeller
arbeiten oder schreiben, aber jetzt haben wir keine Schneid
mehr, seit die Brigittenau so erwischt wurde.
Stellt euch
vor, bei dem letzten schweren Angriff am Mittwoch den 21.3.
wurde die Brigittakirche bei der Sakristei beschädigt,
das Pfarrhaus bekam einen Volltreffer, daneben das Gasthaus
Baumgarten und die Apotheke Ecke Brigittagasse/Wintergasse
sind ganz ausgebrannt, die Greiseneckerschule (ein Lazarett)
ein Teil weggerissen.
Die Dammstraße sieht entsetzlich aus. Auch am Sachsenplatz,
Waldmüllergasse usw. lauter Ruinen. In der Wintergasse
sind in einem Haus 21 Tote im Keller. Darunter die Mutter unseres
DAF-Mannes (ein hochanständiger Mensch). (Anm.: DAF = Deutsche
Arbeitsfront = "Gewerkschafter") |
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Er sagte heute zu mir: "Was gäbe ich, könnte
ich meine Mutter selber heraustragen und am Friedhof beerdigen.
Ich werde sie kaum frei bekommen und wahrscheinlich auch
bei der Beerdigung nicht dabei sein dürfen." Ich sagte: "Kommen
die alle in ein Grab?" Worauf er sagte: "Leider Ja!" Und so gibt
es tausend Fälle alle Tage.
Benno wohnt noch bei mir und ich bin sehr froh. Er holt mir
das Wasser vom Augarten und macht mir verschiedenes. Wenn ich
ihm etwas koche, gibt er mir alles dazu. Er hat sein eigenes
Bett und Überzug und nimmt die Wäsche mit hinaus.
Bis jetzt kann er ja noch mit der Bahn fahren. Von der Wurst
habe ich ihm auch ein Stück gegeben, aber die heben wir
auf für den Luftschutzkeller.
Liebe Reserl, ich habe noch sechs Werktage Urlaub vom vorigen
Jahr. Wenn es Dir recht ist, würde ich dir im Garten
helfen. Aber nur, wenn dir mit mir wirklich geholfen ist. Ich
würde mich auf den Garten freuen. Wenn du es mir ein bis
zwei Wochen vorher schreibst, wäre es mir recht, damit
ich mir alles einteilen kann. Ich kann mir den alten Urlaub
noch in zwei Monaten auch nehmen. Aber was man hat, das hat
man.
Weißt, bei Mutter ist der Wirbel groß und außerdem
hat sie Einquartierungen, wie euch Loisi (Aloisia) erzählt
haben wird. |
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Ich bin neugierig, ob Bruni schon dicker geworden ist,
Gerhard vernünftiger und auf Rüdiger, ob er mir
schon entgegen rennt. Aber bei den Buben geht es nicht so
schnell.
Gestern sah ich Heinbucher Peperl, der hat die linke Hand
verletzt.
Bertschi (Josef Ludwig) hat mir eine Karte geschrieben,
ich bekam sie an meinem Namenstag. Er schreibt: Endlich hat
er wieder Post bekommen auch von Ly (Karoline Ludwig). Aber
es kommt immer näher. Er war in Prag. Frau Bernhard
glaubt an ein Wunder. Gott gebe es, dass am Ende noch ein
Wunder geschieht und wir nicht in die Hände der Bolschewisten
fallen.
Wenn Ly nach Wien kommt, soll sie mich besuchen.
Viele herzliche Grüße und Küsse an euch
alle von eurer
Paula
PS: (Anm: An Reserl) Bei uns im Luftschutzkeller sitzt eine
Frau mit drei Kindern. Da bin ich viel in Gedanken bei Euch.
Habt ihr nicht öfter
Schnackerl? |
Tante Paula als Postbeamtin |
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Die Kriegsnot kann man am Gebrauch des Briefpapieres ablesen:
Tante Gretl schickt einen Brief an Tante Paula (blaue Schrift),
diese nutzt die noch unbeschriebenen Stellen für die Rückantwort
(schwarze Schrift). Offensichtlich gab es großen Papiermangel. |
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80. Geburtstag Tante Paula, 1979 |
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