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Home | Personenkunde | Peter Altenberg

Richard Engländer alias Peter Altenberg
1859 - 1919

 

 

 

Kindheit - "Ausbildung"

Geboren wurde Altenberg im zweiten Wiener Gemeindebezirk, in der Ferdinandstraße 4 (das Haus wurde abgebrochen), eine Gedenktafel wurde jedoch irrtümlich in der Franzensbrückenstraße angebracht.

Als Sohn einer reichen und assimilierten jüdischen Familie (sein Vater war  Großhändler) erhielt Altenberg eine Erziehung, wie sie für die wohlhabende Schicht im späten 19. Jahrhundert in Österreich typisch war. Statt die Volksschule zu besuchen, wurde er von Hauslehrern unterrichtet, für die Erziehung sorgte der Hofmeister und eine Gouvernante für die Schwester.

   Peter Altenberg

Gedenktafel am "falschen Geburtshaus"

 

Geigenunterricht: "Genie ohne Fähigkeiten"

Völlig im Einklang mit dem wohlhabenden Lebensstil erhielt der kleine Altenberg Geigenunterricht bei Rudolf Zöllner, dem späteren Bürgermeister von Baden bei Wien, damals aber noch Geiger im Orchester der Hofoper.

Da sein Spiel äußerst ausdrucksvoll war, ihm jedoch jegliche Technik fehlte, behauptete sein Lehrer: Altenberg ist ein "Genie ohne Fähigkeiten."

Peter Altenberg

 

bei der Matura durchgefallen

Dann trat Altenberg in das Akademische Gymnasium ein, er gab selbst offen zu, kein Vorzugsschüler gewesen zu sein. Zur Matura hatten die Schüler einen Aufsatz zu schreiben über das Thema: Der Einfluss der Neuen Welt (Amerika) auf die Alte. Altenberg behauptete später ein einziges Wort hingeschrieben zu haben: "Kartoffeln".

Jedenfalls hatte sein Lehrer kein Verständnis für den Telegrammstil, der später für Altenberg so typisch wurde, er fiel durch. Schließlich legte er die Matura ein Jahr später, am Theresianum, einer anderen Eliteschule ab.

Akademisches Gymnasium, Wien 1., Beethovenplatz

Gedenktafel Akademisches Gymnasium

 

Studium und Lehre abgebrochen

Danach folgten Jahre erfolglosen Studiums - Medizin und Botanik in Wien, Jura in Graz. Auch eine Buchhandelslehre in Stuttgart brach er nach kurzer Zeit ab: "Ich erlernte weder Theorie noch Praxis. Es war langweilig und geisttötend, obzwar man wenigstens mit 'geistigen Werken' handelte".

Bis sein Vater - der manchen Zeitgenossen zufolge um vieles origineller war als der Dichter selbst, andere meinten sogar, dass Altenberg lediglich eine blasse Imitation von Moritz Engländer war - sich schließlich an Ärzte wandte, um den Grund herauszufinden, warum seinem Sohn ein zweckgerichteter Ehrgeiz fehlte.
1883 diagnostizierte der Psychiater Ludwig Schlager die Unfähigkeit Altenbergs, den Normen eines Lebens der Mittelschicht zu entsprechen und seiner Familie davon abriet, ihn unnötigem Stress auszusetzen. Seine offizielle Diagnose lautete: "Übererregbarkeit des Nervensystems". Letztendlich bestätigte er damit dessen Berufsunfähigkeit. Altenberg sagte später von sich selber: "Meine Unfähigkeit, zu lernen, ist 'pathologisch'".

Vater Altenbergs
 

Als Altenberg zehn Jahre alt war, hatte er sich eine Infektion (Fußbeinentzündung) zugezogen gehabt, die sich über ein Jahr hinschleppte, und von Theodor Billroth, dem berühmten Chirurgen und Intimus von Johannes Brahms behandelt wurde. Die ganze Zeit sei seine Mutter an seinem Bett gesessen, oder habe im Nebenzimmer Schubertlieder gesungen, erzählte Altenberg später. Aber die Mutter war von seiner späteren Entwicklung sehr enttäuscht und es entstand ein "tiefer Riss" zwischen Altenberg und seiner wunderschönen Mutter, die er abgöttisch geliebt hatte.

Dass er die Liebe seiner Mutter verloren hatte, verstörte ihn ganz eindeutig, und dies erklärt auch, warum er seine Kindheit in der späteren Rückbesinnung so häufig als "ein verlorenes Paradies" betrachtete. Damals fuhr die gesamte Familie immer wieder zur Sommerfrische ins Salzkammergut oder ins Rax- und Schneeberggebiet. Altenberg, der später immer wieder dorthin zurückkehrte, wurde am Semmering einmal von seinen Kindheitserinnerungen übermannt, und ein Freund fragte ihn: "Peter, warum weinst Du?"

 
Grete, die Schwester
von Altenberg

Pseudonym Peter Altenberg

Aus dieser späten Jugendzeit stammt auch das Pseudonym, offiziell gab es Peter Altenberg, der eigentlich Richard Engländer hieß, erst seit 1896, als der 37-jährige Richard Engländer sein erstes Buch "Wie ich es sehe" unter diesem Namen herausbrachte.

Altenberg an der Donau

Im Alter von etwa 20 Jahren hatte er einige Zeit bei seinem Schulfreund in Altenberg verbracht, einem kleinen Ort an der Donau, nahe Greifenstein bei Wien. Dessen Vater war Herausgeber der damals führenden Zeitung Wiens, der "Neuen Freien Presse", und er war Präsident der Schriftstellervereinigung Concordia, und damit auch Gastgeber einer der beliebtesten Faschingsbälle.

Portrait Bertha-Peter Lecher mit ihrer Haarlocke
Die Familie hatte drei Söhne und vier Töchter, die alle jünger als die Knaben waren, und von diesen Mädchen wiederum war Bertha die Jüngste. Die Art, wie die Burschen ihre Schwestern behandelten, entsprach wahrscheinlich genau der gängigen Meinung zur Rolle und Stellung der Frau, die Altenberg später anprangern sollte.
   Bildbeschriftung des Bertha-Peter Portraits

Die Brüder erwarteten, dass die Mädchen als ihre Dienerinnen fungierten, ihnen die Schuhe auszogen und die Mahlzeiten servierten, und dies alles für einige Groschen pro Woche. Nicht genug damit, sahen es die jungen Herren als unter ihrer Würde an, von bloßer Weiblichkeit bedient zu werden. Ein junger Herr bedarf eines jungen Dieners, daher gaben sie ihren Schwestern männliche Spitznamen. Bertha wurde Peter genannt.


    Altenberg südlich von Greifenstein

Der junge Altenberg war außer sich, dass den Mädchen durch die Männer um sie herum ihre Identität und ihr Geschlecht verweigert wurde. Er schrieb Gedichte voll zorniger Entrüstung.

Durch die Annahme des Vornamens Peter wollte Altenberg seine Solidarität mit den weiblichen Opfern seiner Gesellschaft bekunden, und das Los der Frauen in einer von Männern beherrschten Welt bewusst machen. Den Namen Altenberg nahm er als bleibende Erinnerung an jenem Ort an, wo dieser Akt der Identifikation stattgefunden hatte.

Abgesehen davon, dass man mit einem neuen Namen die lästigen Fesseln einer bürgerlichen Herkunft abschütteln konnte, war die Festlegung der Identität ein wichtiges Thema in der deutsprachigen Literatur um die Jahrhundertwende, und die Annahme eines neuen Namens war üblich.

Bertha-Peter Lecher heiratete noch in jungen Jahren den Pädagogen Eduard Jordan, wurde selbst Lehrerin, dann Schuldirektorin und starb 1953. Ihre Schwester Emma heiratete den gleich nebenan wohnenden Adolf Lorenz, ihr Sohn Konrad wurde der berühmte Tierverhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz.
 
Nobelpreisträger
Konrad Lorenz 


    Gesetzestafeln,
    Synagoge Seitenstättengasse

Der Jude Altenberg

Peter Altenberg, Felix Salten, Egon Friedell, Alfred Polgar, Max Reinhardt: Dies alles sind Pseudonyme, und allen gemeinsam war ihre jüdische Herkunft.


Es ging darum, einen Namen zu wählen, der jene jüdische Assoziationen ausschloss, die ihrem ursprünglichen Namen anhafteten. Mit der Wahl eines neuen Namens wollten sie sich von der jüdischen Gemeinschaft, in die sie hineingeboren worden waren, distanzieren und in der deutschen Kultur aufgehen.
In vielen Fällen fiel die Namensänderung mit dem formalen Austritt aus der jüdischen Religionsgemeinschaft zusammen, ja sogar mit dem Entschluss, in die katholische Kirche einzutreten. Altenbergs formaler Übertritt erfolgte im April 1910.

Altenbergs ambivalente Stellung zum Judentum

Nirgends in den autobiographischen Schriften, die sich in vielen Büchern verstreut finden, gesteht Altenberg sein jüdisches Erbe offen ein. Da er jedoch immer wieder auf das jiddische zurückgreift, liegt der Gedanke nahe, dass er bereit war, sein linguistisches Erbe im Interesse schöpferischer Ausdrucksmöglichkeiten offenzulegen. Ein Freund Altenbergs erinnerte sich: "Seine furchtbarsten und grandiosesten Wutreden aber hatten antisemitische Färbung. Selber Jude - das schlimmste, was man ihm zufügen konnte, war, ihn mit seinem bürgerlichen Namen anzusprechen."

Dass Altenberg sich sehr wohl der ambivalenten Stellung der assimilierten Juden bewusst war, geht aus dem Text "Rassenprobleme" hervor, der erst nach seinem Tod veröffentlicht wurde. Hier vermerkt er sein Erstaunen über das Paradoxon des Wiener Antisemitismus: "Wieso, weshalb, sind jüdische Künstler gerade in Wien so allgemein beliebt? Der Wiener hat es nämlich nicht gern, sich ehrlich, anständig sagen zu müssen: Schau, schau, der is ja doch grad so wie unsereiner! Das hat er nicht gern. Lieber sagt er: Er ist zwar a Jud', aber amüsant is' er, der Kerl. Das muss man gerechterweise zugeben."

Altenbergs letzter Witz: ein christliches Begräbnis
Grabkreuz Altenbergs von Adolf Loos, Zentralfriedhof

Was auch immer Altenbergs innerste Überzeugung nach sich gezogen haben möge, es waren nicht nur die Antisemiten, die seine Herkunft nie vergaßen. Für Juden blieb er ebenfalls jüdisch. Albert Ehrenstein sah in Altenbergs christlichem Begräbnis "seinen letzten blutigen Witz".
Es galt für Wien das gleiche wie für Berlin: Alle - Philosemiten und Antisemiten - waren sich einig, dass auch jene ehemaligen Juden, die sich von ihrer Religion durch Bekehrung zum Christentum oder Austritt aus der jüdischen Gemeinde abgewandt hatten, irgendwie Juden geblieben waren.


Café Central

Ohne fixe Anstellung begann Altenberg die Nacht zum Tag zu machen und lebte wie ein Bohemien. Er verkehrte in Varietes, Theatern, Salons und vor allem im Kaffeehaus.

 Zuerst war sein Stammlokal das Griensteidl, danach das Café Central , wo er gemeinsam mit Adolf Loos und Karl Kraus einen "besseren Dreibund" bildete. 

Wenn Altenberg nicht im Kaffeehaus ist, hieß es, er sei am Weg dorthin. Ins Central ließ er sich sogar seine Post schicken, und eine Pappmachéfigur ebendort erinnert bis heute an ihn.

Visitenkarte von 1907: Peter Altenberg, 
Wien I. Herrengasse, Café Central

Peter Altenberg als Pappmaché-Figur im Café Central

Altenbergs Telegrammstil

Altenberg beschäftigte sich schon damals mit der Literatur, er schrieb Prosaskizzen, in diesen ging es ihm um die Darstellung von Sinneseindrücken; soziales oder politische Interesse war dem Bohemien fremd.

Vorbilder fand er im französischen Prosagedicht und im Wiener Feuilleton. Die frankophile Literatur hatte Altenberg bei seinem Vater kennengelernt, der über 40 Jahre nur französische Werke las.

Dennoch verstand sein Vater nicht, was Altenberg schrieb: "Aber du, kaum fängt es an, ist es bereits zu Ende! Und um was dreht es sich? Kein Mensch weiß es. Es tut mir leid, in das werde ich mich nie hineinleben. Wieviel verdienst du wenigstens mit diesen Sachen?"

Altenberg im Café Central 1907


Egon Friedell schrieb über Altenbergs Telegrammstil: "Nur im Zeitalter der Telegraphie, der Blitzzüge und der Automobildroschken konnte ein solcher Dichter erstehen, dessen leidenschaftlichster Wunsch es ist, immer nur das Allernötigste zu sagen. Es kommt Altenberg niemals darauf an, etwas möglichst schön zu sagen, sondern es möglichst präzis und kurz zu sagen."


Altenberg: "Meine Sachen haben das Malheur, dass sie immer für kleine Proben betrachtet werden, während sie leider bereits das sind, was ich überhaupt zu leisten imstande bin."

Altenberg: "Ich war damals, 1894, der "reine Niemand", obzwar ich mich damals schon ebenso exzentrisch kleidete wie heute. Karl Kraus schickte hinter meinem Rücken die in Nachtkästchen, Tischlade, Kleiderkiste etc. verstreut liegenden Manuskripte meines ersten Buches 'Wie ich es sehe' an den ersten Verleger Deutschlands S. Fischer in Berlin."


 Adolf Loos und Altenberg, 1918

Karl Kraus, Freund
von Altenberg

"unerhört deutliche Schrift"

Altenberg: "Sehr geehrter Herr Verleger S. Fischer in Berlin. Ich bitte Sie um Himmelswillen wie ist es denn möglich, dass bei meiner unerhört deutlichen Schrift sich in den gesetzten Korrekturen meiner Manuskripte so schreckliche Druckfehler befinden?!?"

Antwort des Verlegers: "Sehr geehrter Herr Altenberg, das ist doch ganz einfach zu erklären; Ihre Schrift ist eben im Gegensatze zu allen anderen Manuskripten so wunderbar deutlich, dass man eben Ihre Manuskripte den allerersten Anfängern in der Druckerei zum Setzen übergibt!"


    Karikatur von  Altenberg

Der reiche Schnorrer

Nach dem Bankrott der väterlichen Firma lebte Altenberg von nun an von mehr oder weniger regelmäßigen Monatsrenten, die von Wiener Mäzenen aufgebracht wurden. Es gehörte zu diesem Zeitpunkt zum guten Ton, Altenberg als Schriftstellerkollegen finanziell zu unterstützen.
Außerdem hatte er Einnahmen als Theaterkritiker, auf diese Stellung war er so stolz, dass er fortan ein großes Opernglas umgehängt trug, um seine neue Würde zu zeigen, für die er mit 20 Gulden monatlichen Honorars entlohnt wurde.

Schnorrer-Anekdoten

An einem Abend hatte Altenberg seinen Freund Karl Kraus immer wieder angejammert: "Karl gib mir zehn Kronen...Karl gib mir zehn Kronen..." Schließlich sagte Kraus: "Schau Peter, ich würde dir das Geld gerne geben, aber ich hab's wirklich nicht." Darauf Peter in großzügiger Aufwallung: "Ich borg's dir."
Einmal war Altenberg anwesend, als Karl Kraus von einem Mann, über den er negativ in der Fackel geschrieben hatte, fast bis zur Bewusstlosigkeit zusammengeschlagen wurde. Altenberg irrte zwischen den umgefallenen Stühlen herum und sagte immer nur: "Solche Verrückten!"...und trank deren Champagnergläser leer!

Spendenaufrufe

Hugo von Hofmannsthal in einen Brief an Altenbergs Verleger S. Fischer 1905: "Von Altenberg erhielt ich unlängst einen lebhaften Dankesbrief, in welchem er seine 'näheren Freunde' beschuldigt, ihn verhungern zu lassen. Da er ein sehr unsicherer Herr ist und gar anderen erzählt, ich ließe ihn verhungern, so bitte ich Sie, schreiben Sie mir gelegentlich wie viel Sie ihm monatlich schicken, damit ich vor mir selbst darüber ruhig bin. Ich weise Ihnen dieser Tage abermals 360 Kronen an".

In späteren Jahren riefen Künstler wie Alexander Girardi, Hermann Hesse, Hugo von Hofmannsthal, Egon Friedell, Herman Bahr, Prof. Josef Hoffmann, Verleger S. Fischer, Berlin, Max Reinhardt über Zeitungsannoncen immer wieder zu Spenden für Altenberg auf, um seine Sanatorien-Aufenthalte finanzieren zu können.


      Spendenaufruf in der Fackel, 1910


    Altenberg in Venedig

sparsam aber nicht geizig

Adolf Loos, Auszug aus dem Nachruf: "Du warst der Sparsamste der Sparsamen. Jeden ersparten Groschen trugst Du in die Sparkasse.
Einmal hörtest du von einem Hoteleinbruch, da wurde auch der letzte Heller deponiert, und Du hast folgendes Telegramm an deinen Bruder aufgegeben: "Lieber Georg, schicke mir 100 Kronen, habe mein ganzes Geld auf die Postsparkassa getragen und starre nun dem Hungertod entgegen".
Aber ein Geizhals warst du bei Gott nicht. Stets hattest du eine Kleinigkeit für alle misshandelten Kinder, von denen du in der Zeitung erfuhrst. PA - 10 Kronen. Das war eine ständige Notiz in den Ausweisen der Kinder Schutz- und Rettungsgesellschaft. Und kein Kavalier gab größere Trinkgelder an die Kellner und Stubenmädchen."

 

Testament

Nach dem Tode Altenbergs, als die Einzelheiten des Testaments bekannt wurden, waren viele erstaunt, ja erbittert zu hören, welches Vermögen sich der ewig mittellose Schnorrer angehäuft hatte. Anton Kuh zufolge hinterließ Altenberg der Wiener Kinder-Schutz- und Rettungs-Gesellschaft 107.834 Kronen.
Aber wer an der Höhe des Vermögens Anstoß nahm, hatte nach Meinung Anton Kuhs einfach das Wesen dieses Menschen nicht verstanden: "Sein Ideal war, einerseits vollkommen unabhängig, sorgenfrei, kompromisslos, als wahrer Dichter zu leben, andererseits als genialster Diätetiker 130 Jahre alt zu werden (Anm.: Altenberg begann eine Diät auf Milchbasis, aß jede Menge roher Eier, und warb auch für diese Diät.) Wie sollten diese beiden Ziele je erreicht werden, wenn er über kein Vermögen verfügte?"

 
Peter Altenberg mit Zwicker

 

exzentrische Mode

Zitat Altenberg; "Die Mode ist ein ästhetisches Verbrechen. Sie will nicht das Endgültig-Gute, das Endgültig-Schöne. Sie will immer nur etwas Neues."

Jogging-Anzug anno 1900

Altenberg war es, der die sog. Freizeitkleidung "erfand", besser gesagt, er war in Sachen Bequemlichkeit der Mode seiner Zeit um 100 Jahre voraus. Seine Sandalen - man hört sie noch über das Holzstöckelpflaster klappern, sein breiter, lederner Leibgurt, seine grellbunte Wäsche gemahnen an den Sonderling, der nicht wie die anderen Zeitgenossen gekleidet sein wollte, und der sich eine eigene, angeblich ästhetischere sporthygienische Tracht zugelegt hatte. Heute würde er vielleicht mit dem Jogging-Anzug im Kaffeehaus sitzen.
Einmal lehnte eine Dame eine Theatereinladung Altenbergs brüsk ab: "Mit einem Menschen in solcher Aufmachung gehe ich nicht ins Theater. Und überhaupt, das Ganze passt mir nicht..."
Alfred Polgar erzählt: Im karierten Anzug mit zu kurzen Hosen, den Ledergürtel sportlich umgeschnallt, ohne Hut, sandalenklappernd, die Zwickerschoner breit wie ein Messband, den keulenförmigen knolligen Stecken unterm Arm stocherte er, schäumend im Selbstgespräch, über den Graben. "Sie machen zu viel Aufsehen!" sagte der Wachmann. "Zuwenig!" schrie der arme Peter, "zu wenig!"

Peter Altenberg im Rathauspark 1918

 

Adolf Loss schenkt Altenberg einen Anzug

Altenberg erzählte in seinen späten Jahren einmal, dass er den Künstlernamen auch deshalb angenommen habe, weil er nicht mit den Engländern in Verbindung gebracht werden wollte. Denn im Gegensatz zu ihm legten diese großen Wert auf die äußere Erscheinung!


Als Adolf Loos Altenberg einmal einen Anzug schenkte, erntete er wenig Dank: "Du wolltest also nicht mir eine Freude machen mit dem neuen Anzug, nicht mir einen Freundschaftsdienst erweisen, sondern wolltest nur, in frech-tyrannischer Art, mich zwingen, meinen unantastbaren Geschmack deinem verfehlten elenden verkommenen, den idiotischen Engländern und Amerikanern abgeguckten, irrsinnigen, wider-sinnigen Geschmack anzubequemen. Mich wirst du nicht blöd machen, du Modetorheit-Gigerlster aller Gigerln!"

 
Peter Altenberg in Venedig

Altenberg, der "Stock-Narr"

Altenberg: "Ich gebe zu, dass ich einen Fanatismus für besonders aparte Spazierstöcke besitze, vielleicht sogar der Beginn eines kommenden Irrsinns, wobei man dann an schönen Spazierstöcken seine ganze Lebensfreude hat!

Der Wald, der See, Frühling und Winter, die Frau, die Kunst versinken, und es bleibt dir als einzig Lebenerfüllendes: Der schöne Spazierstock. 

Nun, ich kenne sämtliche Spazierstöcke in den Wiener Geschäften, habe überall meine ausgesprochenen Lieblinge, die merkwürdigerweise am seltensten weggekauft werden."

Altenberg besitzt viele Spazierstöcke


    Peter Altenberg in Venedig

Eine junge Dame schenkte mir einst einen solchen tief ersehnten Spazierstock, der zwei Jahre in der Auslage stand. Er bestand aus hellgrauem Kapziegenhorn und Zuckerrohr. Ein Wiener Fabrikat nach englischem Muster. Da mir im Kaffeehaus der Stock immer wieder umgestoßen wurde, trug ich in jeder Woche meinen geliebten Spazierstock in die kleine Handlung, wo er gekauft war, und bat, die Schäden durch Politur usw. wieder auszugleichen. Der Verkäufer sagte immer liebenswürdiger: 'In zwei bis drei Tagen! Für die Reparatur ist nichts zu bezahlen!'
Allmählich merkte ich es, dass er mich für einen Stock-Narren hielt und den Stock niemals auch nur dachte in die Reparatur zu geben. Er sagte immer: Soeben ist der Stock aus der Fabrik gekommen! Wie wenn Sie es erraten hätten. Einmal merkte ich mir eine kleine Abschürfung. Bescheiden sagte ich: "Diese kleine Abschürfung ist aber noch immer vorhanden", sagte ich. "Ja, das geht eben bereits in die organische Struktur des Ziegenhornzellgewebes, das kann selbst unsere Fabrik nicht mehr herausbekommen...."
Ich dachte: "Hättet ihr ernstlich gefeilt, geschabt, poliert, so wäre von meinem wunderbaren Kapziegenhorngriff heute nichts mehr vorhanden." Wie danke ich euch daher für eure fürsorgliche Weisheit: "Er ist ein Stock-Narr! Man muss ihn schonen!"

Werke


    Peter Altenberg am Semmering

"Semmering 1912"

Das ist der Titel eines seiner erfolgreichsten Bücher, welches in jenem Jahre ebendort entstand. Altenbergs Resümee über diesen Aufenthalt: "Also, in dieser Winterpracht feiere ich meinen 53. Geburtstag. Es wird kein Geld regnen, da ich keine Danae bin. Aber in die schlechte Bilanz des Jahres 1912 muss ich doch den Plus-Kontoposten meines Lebens einrechnen: 'Nachwinter im März auf dem Semmering', und eine romantische 'Petrarca-Liebe'!"

Damit meinte er die 12-jährige Klara, Tochter des berühmten Hotelbesitzers Panhans, in dessen Hotel Altenberg wohnte. Ihr hat er später 1915 nicht nur das erste Exemplar seines Buches "Fechsung" geschenkt, er hat ihr auch einige Texte gewidmet: "Klara, heilige 12-jährige. Ach, melde mir den Tag, die Nacht, da Dich Natur zum Weibe macht. Auf dass ich Abschied nehme von Deinen Göttlichkeiten."
Die greise Klara Panhans soll noch vor einigen Jahren ausdrücklich festgehalten haben, dass "er mir niemals zu nahe getreten sei".
Altenberg hatte über seine unsichere sexuelle Disposition in einem Brief an Karl Kraus geschrieben: "an mir ist eine Frau verloren gegangen und ein Mann."

Ansonsten dürfte Altenberg kein großer Reisender gewesen sein. Als ihn einmal eine Reise nach Salzburg und Innsbruck brachte, schrieb ein Freund davon: Nichts war ihm recht, die Berge waren ihm zu hoch, der Bahnhof zu groß, die Witterung zu feucht, der Wein sauer wie Essig und Altenberg sagte am Ende jedes Satzes: "O, wär ich doch nur in meinem geliebten Wien, die Schurken sollen auf ewig verflucht sein, die mich zu dieser Reise zwangen!"

"Aschantee"

Altenberg hielt sich gern im Prater auf, beschreibt auch die Landpartien hinaus nach Baden bei Wien. Die Vorliebe zur Natur wurde schließlich erweitert um das Interesse an Exotik und Naturvölkern.
1896 gab es im Tiergarten Schönbrunn eine einjährige Ausstellung, wo ein Aschantidorf mit Negern von der Goldküste gezeigt wurden. 1910 wurde im Prater ein ganzes Abessinierdorf mit Bewohnern gezeigt. Bei beiden Ausstellungen knüpft Altenberg durch seine oftmaligen Besuche engere Kontakte zu Aschantifrauen. In der Folge entstanden die Prosaskizzen mit dem Titel "Ashantee".

Prosaskizzen Ashantee

..."so war es im Paradiese"...

Altenberg: "Alle sind munter, so war es im Paradiese, nackte, wunderbar gewachsene, freie Menschen mit Frieden. Ich lerne viel dort: Bei den Ärmsten ist das Himmelreich."


Und 1910 schreibt er: "Meine geliebte kleine schwarze Freundin bringt mich in Welten, wo es keine Leiden gibt, sondern nur seliges Genießen. Wenn ich sie bei mir behalten könnte, sie kaufen, sie erziehen außerhalb der Konvention, in ihrer süßen Wildheit, ihrer Grazie. Sie ist die heiligst Anmut und Humor. Jeden Abend führ ich sie in den Circus, dann in eine kleine Waldschenke auf heiße Würstel und Bier. Abends bring ich sie nach Hause, in ihre Hütte, eine Hundehütte, wo Vater, Mutter und drei entzückende Geschwister schlafen. Sie wendet sich in allen schwierigen Situationen an mich, gibt mir ihr Geld zum Aufheben, beklagt sich bei mir über die Leute, welche sie ununterbrochen sekkieren und sie wie ein Tierchen behandeln."

 
Katidja, 1910



Altenberg und die Frauen von Adolf Loos


    Altenberg und Lina Loos

Lina - erste Gemahlin von Adolf Loos

Sowohl Altenberg als auch Loos bemühten sich um die Schauspielschülerin Lina, geborene Obertimpfler (1882-1950). Sie war die Tochter des Inhabers des Café "Casa Piccola" in der Mariahilferstraße. Sie wandte sich Loos zu. Die Trauung fand 1902 in Eisgrub in Mähren statt. Ein Onkel von Loos war dort Pfarrer. Peter Altenberg hätte Trauzeuge sein sollen, verschlief aber - anscheinend nicht unbeabsichtigt - den Abreisetermin. Für Lina und sich richtete Loos 1903 die Wohnung in der heutigen Bösendorferstraße 3 ein, deren Wohnzimmer 1958 in die Schausammlung des Historischen Museums der Stadt Wien übertragen wurde.

1904 geriet die Ehe wegen der Liebesbeziehung Linas mit Heinz Lang in eine Krise. Unter der Belastung der Verbindung beging der 19-jährige Lang im gleichen Jahr Selbstmord. Peter Altenberg soll ihn bei einer vertraulichen Aussprache mit den Worten "Stirb, sie ist eine Göttin" dazu ermutigt haben - Arthur Schnitzler verurteilte dies später in seinem Stück "Das Wort".


    Bessie Bruce und Altenberg in Venedig

Bessie Bruce - Lebensgefährtin von Adolf Loos

Die englische Tänzerin Bessie Bruce 1886-1921 trat in Wien im Casino de Paris auf, wo Altenberg und Loos sie 1905 sahen und kennenlernten.
Wie schon im Fall von Lina Loos ereignete sich wiederum die Tragödie, dass die von beiden verehrte Frau sich Loos zuwandte und dessen Lebensgefährtin wurde. Heiraten konnte dieser sie nicht, da die Ehe mit Lina zumindest nach dem Kirchenrecht weiterbestand. Altenberg machte ihm heftige Eifersuchtsszenen. Trotzdem verbrachten sie den Sommer gemeinsam 1913 am Lido in Venedig. Auch Kokoschka und Karl Kraus waren mit von der Partie. Altenberg über Bessie Bruce: "My most most beloved and adorated girl-baby Bessie Bruce!"


    Elsie Loos, Beschriftung von Altenberg

Elsie - zweite Gemahlin von Adolf Loos

Die Tänzerin und Soubrette Elsie Altmann 1899-1984 wurde - nachdem wiederum zugleich Altenberg sie heftig verehrt hatte - die zweite Gattin von Adolf Loos.
Sie hatte an der Privatschule Zeichen- und Malunterricht genommen. Mit dem Freundeskreis im Café Central wurde sie 1917 bekannt. Die Trauung mit Loos fand erst nach Altenbergs Tod 1919 statt.





    "Die absolut idealen Beine!
    Die 13-jährige Evelyn, 1916"

Mädchenverehrung: Galerie der Schönheit...

Altenberg verehrte auch sehr junge Mädchen. Altenberg: "Eine Frau ist immer zu alt, aber nie zu jung! Das Gesetz schreibt uns vor: von vierzehn an! Aber das Gesetz ist nicht von Künstlern entworfen. Unser Geschmack sagt: In jedem Alter, wenn du nur sehr schön bist! Freilich heißt es da wie in der Bibel: er hatte ein Auge auf sie geworfen! Aber wirklich nur das Auge, dieses ideale Lustorgan!"...."Mädchen habe ich von meinem frühesten Kindheitsalter unter bitteren Tränen verehrt wegen nichts."

Altenberg nannte sein Zimmer im Graben Hotel die "Galerie der Schönheit": "Mein armseliges Zimmerchen ist fast austapeziert mit Akt-Studien von vollendeter Form. Alle befinden sich in einem eichenen Rahmen." Die gerahmten Frauen- und Mädchenbildnisse zierten auch den Korridor zum Zimmereingang.
Auf manche schrieb er eine Huldigung: "Kind-Mädchen, ich liebte Dich unermesslich!" oder "Märchen meines Lebens, holdeste Fee, allerzarteste Vierzehnjährige!" Es gibt nur eine Unanständigkeit des Nackten - das Nackte unanständig zu finden!

 


    "Eine Unbekannte.
    Mein äußerstes Ideal, 1906"

über Liebe geschrieben aber nicht erlebt

Lina Loos über Altenberg: "Peter Altenberg gilt als Frauenverehrer. Er war es nicht! Er hat uns gehasst. Er hat uns Frauen gehasst, wie er reiche Leute hasste, die ihren Reichtum nicht zu verwenden wussten. Er, der so viel Schönheit erkannte, verzweifelte an den Frauen, wenn er sie Wertvolles an die untauglichsten Objekte vergeuden sah. An ihm, dem Ewig-Bereiten, sind die Frauen vorbeigegangen, so wurde er gezwungen, in Buchstaben zu gestalten, was Unerlebtes übriglieb."
Altenberg verehrte die jüngste Schwester von Franz Kafka. In seinen Briefen an ihn bittet er ihn immer seine jüngste Schwester zu grüßen. "...wie weise, wie zart, wie tiefdenkend war sie."
Über ein anderes Mädchen schreibt Altenberg: Sie hatte eine adelige süße zarte Gestalt und wunderbar feine Hände. Sie war wie aus einem edleren, besseren Reiche, aus einem Märchen-Lande von Zartheit und adeliger Ruhe!



Halb-Akt und Ganz-Akt

Aus dem Schriftverkehr Altenbergs: "Liebes süßes Fräulein Anni, Professor Kosel unser berühmtester und teuerster Photograph (6 Bilder 90 Kronen) will Sie mir zuliebe gratis aufnehmen, und Sie sollen dieser Tage zu einer Vorbesprechung kommen.
Ich habe auch von Halb-Akt und Ganz-Akt Erwähnung getan. In tiefer Anbetung Peter"

Zu diesem Foto schrieb Altenberg: "Deine Seele, Albine Ruprich 14-jährige, ist so vollkommen wie Dein geliebter Leib! 1914"

(Anm.: "Es gibt keinen Beleg dafür, dass er mit einem der von ihm verehrten Mädchen sexuellen Kontakt hatte", meint ein Altenberg-Forscher, "keine seiner tatsächlichen Freundinnen war jünger als es den damaligen Gesetzen entsprach.")

   Albine Rupich




Graben-Hotel: "Ein Nest"

Als die elterliche Wohnung aufgelöst wurde, wohnte Altenberg zeitweise bei seinem Bruder in der Währingerstraße, dann bezog er ein kleines Zimmer im Stundenhotel "London", Wallnerstraße 17, und mietete sich schließlich im Grabenhotel ein.

"Ein Nest sich bauen, wirklich sein höchsteigenes, apartes, von allen anderen unterschiedenes Nest! Wie der Vogel es Halm für Halm sorgsam zusammenträgt! Und jedes Nest ist anders, grundverschieden, hat gleichsam den Charakter des Besitzers, des Bewohners.
Mein einfenstriges Kabinett im 5. Stock des 'Grabenhotels' ist mein 'Nest', Halm für Halm zusammengesucht seit 20 Jahren. Die Wände ganz bedeckt mit Photos. Ein Nest! Wenn ich denke, wer dieses geliebte Kabinett einmal in Bausch und Bogen erben wird, da freut mich wirklich das ganze Sterben nicht!"

Graben-Hotel, Zimmer 51

 

Sammler

Seit 20 Jahren sammelte Altenberg Fotos und Bilder, z.B. von Hugo Wolf, Beethoven, Tolstoi, dem Berg Fuji, Klimt, Tonvasen und japanische Kleinkunst. Er besaß 10 000 Ansichtskarten, welche sich heute im Historisches Museum der Stadt Wien befinden.
Ein Damenbesuch erzählte: "Auf dem Tisch standen drei große japanische Lackkassetten. Peter öffnete sie und zeigte mit seine Sammlung von Ansichtskarten, die er in vielen Jahren liebevoll ausgesucht hatte. Eine Schachtel enthielt nur vollendet schöne Frauen- und Kinderbildnisse. Immer wieder, wenn er nicht einschlafen konnte, ordnete Peter diese Schätze."


"Ich bin heute ausnahmslos für Niemanden zu sprechen. Peter Altenberg." Diese Tafel hing er vor die Tür, wenn er mit sich und seinen Gedanken, seinen kleinen Freunden und seinen großen Schmerzen allein sein wollte: ein in Wahrheit immer Einsamer, auch im lauten Gewühl des Kaffeehauses, das er stets besuchte.

 
Graben-Hotel, Korridor

Bett als Schreibtisch

Einmal kam zu ihm ein Photograph und nahm das Zimmer auf. Er sagte zu Altenberg: "Ich möchte auch ein Stück ihres Schreibtisches aufnehmen." Darauf dieser: "Ganz unnötig, denn erstens habe ich keinen, zweitens schreibe ich alles im Bett. Nehmen sie ein Stück von dem Bett dazu!"

Er schrieb fast nur nachts oder morgens, wenn er keine Ruhe fand. War er gefesselt von einer Sache, so schrieb er stundenlang, ohne sich dessen bewusst zu werden. Niemals las er durch, verbesserte, korrigierte. Seine Skizzen wanderten in eine große alte Reisetasche in der Ecke seines Zimmerchens.

Graben-Hotel, Zimmer 51

Altenbergs Nachlaß

Nach Altenbergs Tod gelangten seine Photos, Karikaturen, Erinnerungsgegenstände über seine Schwester Marie Mauthner, bzw. seinen Bruder Georg, der alles nummeriert, archiviert und katalogisiert hatte, in den Besitz von Otto Kallir-Nirenstein (1894-1978), Inhaber der Neuen Galerie, Grünangergasse, der zehn Jahre nach Altenbergs Tod ein ständiges Altenberg-Zimmer einrichtete, das bis 1938 bestand. Es war noch so ziemlich alles beisammen, was einst Altenberg gehörte. Darunter sein Hausierpass (Gewerbeschein), der ihn befugte, Halsketterln aus bunten Glas- und Holzkugeln im Umherziehen auszubieten und zu verkaufen. Sogar die Lampe aus dem Graben-Hotel hing am Plafond.
Nur das Bett fehlte. Das hatte sich der Hotelier als Andenken behalten.1938, angesichts der nationalsozialistischen Machtübernahme verlegte Kallir seine Galerie zunächst nach Paris und später nach New York. 1950 wurden viele Gegenstände aus dem Altenberg-Zimmer vom Historischen Museum der Stadt Wien erworben um die symbolische Summe von 8000 Schilling.

 

Einweisung in die Irrenhausanstalt Inzersdorf


    Zeitungsartikel: Altenberg im Irrenhause

Ab 1910 machte sich der ungesunde Lebenswandel Altenbergs bemerkbar. Er begab sich in die Wasserheilanstalt Fango, wo er von einer schmerzhaften Überreizung seiner Nerven, die er sich durch das strapaziöse, aufreibende Bohemienleben zugezogen hatte, Erholung suchte. Doch die Ärzte konnten ihm dort nicht helfen, sie waren nicht auf psychische Krankheiten eingestellt, und er wurde in die Irrenanstalt Inzersdorf überwiesen.

Entlassung - "Lotterleben" geht weiter

Kaum besserte sich sein Zustand, und er wurde entlassen, suchte er erneut Zerstreuung in den Bars, Varietes und am Stammtisch. Altenberg schrieb nach so einer Entlassung: "Es kam das rote Auto im Sanatorium vorgefahren, mich in die Freiheit abzuholen. Die schweren, eisernen Gittertore gingen von selbst weit und langsam auseinander. Mein Bruder sagte: "Nun Peter, heißt's aber brav sein!" Nein, nun heißt es, die verlorene Zeit hinter stupiden Kerkermauern, 7 Monate, einzubringen. Sich verlieben und saufen. Es gelang mir. In derselben Freiheitsnacht war ich mit Anna, und trank 25 Flaschen Bier. Dann schrieb ich mein Buch 'Fechsung'".


    Steinhof, Haupteingang

Einweisung nach Steinhof

Er verfiel wieder in Melancholie und Hypochondrie, behauptete wieder, nichts essen zu können und hatte sich durch beharrliches Fasten und täglich zehn Flaschen Likör Magen und Darm verdorben. Es erfolgten neuerliche Einweisungen nach Steinhof.

Wenn nachmittags aus der Legion der Bewunderer und im Heere seiner Freundinnen einzelne in der Villa Austria des Sanatoriums bei Altenberg Zutritt fanden, so war er ganz fröhlich und gut gelaunt. Er erzählte und las manches vor, schilderte seinen Lebensgang.

Er bot im übrigen das Bild eines wohl missmutigen, aber geistig vollkommen gesunden Menschen. Arthur Schnitzler: "War in Steinhof wegen Peter Altenberg, er ist so wenig verrückt oder normal wie je. 1911."


    Kirche Steinhof


Verfolgungswahn, fixe Ideen

Wenn Altenberg aber mit vertrauten Personen allein war, begann er schrecklich zu lamentieren und schilderte alle möglichen Krankheiten und Schmerzen, die ihn plagten. Er verdächtigte seinen Pfleger, ihn vergiften zu wollen. Seine fixe Idee aber war die Meinung, an einer schweren Stuhlverstopfung zu leiden. Diese Idee verfolgte ihn mehrere Monate. Eines Tages, 1913, bekam er Besuch von einer ihm bekannten Frau Doktor W. Er bat sie um eine Schachtel eines gewissen Purgativmittels, mit Schokoladegeschmack. Die Dame brachte aber in Abstimmung mit den Ärzten eine echte Schachtel Pralinen. Altenberg sollte sie unzerkaut nach dem Essen nehmen. Er versprach es, kaum waren sie draußen, zerbiss er eine Praline, merkte sofort das Täuschungsmanöver. Noch bevor die Frau Doktor aus dem Anstaltsgelände hinausging, hielt sie schon ein bitterböses Schreiben von ihm in den Händen.


Kurze Zeit darauf trat eine Besserung seines Gesundheitszustandes ein. Damit verschwanden auch die Gespenster und Schemen der eingebildeten Leiden und Verfolgungen. Und auch die imaginäre Stuhlverstopfung war weg. Er wurde in häusliche Pflege überantwortet. Adolf Loos holte ihn ab und fuhr mit ihm mit dem Nachtzug nach Venedig.

Altenberg und Pfleger
in Steinhof
 

Altenbergs Resümee über die Irrenanstalten

Altenberg: "Wenn ich die Leute in den Sanatorien so Revue passieren lasse --- lauter nette, feine, gescheite, ruhige, anständige Menschen! Was macht es, dass sich einer für einen Kaiser hält und für eine Fürstin. Alle sind ganz normal, bis auf eine kleine, unscheinbare, fixe Idee. Aber draußen, draußen, im Leben, da ist ein jeder voll von fixen Ideen! Der eine hat Ehrgeiz, wozu, weshalb?! Der andere will von einer geliebt werden, die ihn nicht ausstehen kann. Einer stirbt vor Eifersucht wegen einer, die es nicht einmal verdiente, dass man sich ihren Namen, viel weniger ihre Adresse merke. Einer hofft ewig begehrenswert zu bleiben, eine ewig taufrisch....."

 

Tod: ..." zum Selbstmord keinen Mut"...

Altenbergs wirkliches Elend begann in seinem letzten Lebensjahr. Er brach sich den Arm, als er aus Schwäche, oder weil er seine Melancholien in Wein begrub, über die Stiege stürzte. Er, der ein Akrobat an Gelenkigkeit war - wenn er sprach, redete sein ganzer Körper mit - war nun hilflos wie ein Kind. Seine ganzen Energien nahm ihm dieser Armbruch. Man sah ihn kaum mehr auf der Straße - er schlich wie ein krankes Tier in seinem Zimmer auf und ab und fand nicht einmal die Kraft, zum Arzt zu gehen, weshalb auch sein Arm nie besser wurde. Die Stimme war leise, matt und klang grässlich qualvoll. Außer seinem Bruder durfte niemand zu ihm.
Altenberg: "Vollkommene Zerstörung. Zum Selbstmord keinen Mut, also ein Leben ertragen, das unertragbar ist! Vorgestern Nacht, 1 Uhr, 19. Dezember, fiel ein volles Glas Wein auf mein Leintuch, und ich schlief in der eisigen Nässe ruhig weiter bei weitgeöffneten Fenstern. Des Morgens hatte ich meinen Bronchialkatarrh aus der Jugendzeit. Sunt certi denique fines! (Das ist das sichere Ende.)"

Peter Altenberg
 

Begräbnis am Zentralfriedhof

Wenige Tage später starb Altenberg kurz vor seinem 60. Geburtstag im Allgemeinen Krankenhaus an den Folgen einer schweren Lungenentzündung.
Etwa 400 Personen, darunter sehr viele Freunde und Freundinnen Altenbergs, unter ihnen Hermann Bahr, Arnold Schönberg, Adolf Loos und andere, gaben dem Dichter das letzte Geleit (Ehrengrab am Zentralfriedhof, Gruppe 0, Nr. 84).
 
Bewilligung Ehrengrab, Magistrat

Inschrift auf der Grabeinfassung

Die Grabrede sprach Karl Kraus. Das Kreuz stammt von Adolf Loos. Altenberg wollte auf seinem Grabstein die Worte stehen haben "Er liebte und sah!" - dieser Wunsch wurde ihm nicht erfüllt, lediglich sein Namen ist in der Grabeinfassung eingraviert. Der Schriftstellerkollege Alfred Kerr meinte bei Altenbergs' Begräbnis: "Lauter 15-jährige Mädeln hätten deinen Sarg tragen sollen!"

Grab am Zentralfriedhof, Tor 2, Gruppe 0, Nr. 84

"Mein Leben ist unwichtig. Aber was davon für die anderen wichtig ist, ist wichtig".

Zitat Peter Altenberg

September 2005