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Ehrengräber Gruppe 40
Zentralfriedhof

Werner Kofler
Schriftstelller, 1947 - 2011

Werner Kofler
Schriftstelller, 1947 - 2011

Zentralfriedhof, Gruppe 40, Nr. 70

Nachruf im Standard, 9.12.2011

Der Erzähler, Lyriker, Hörspielautor und Dramatiker setzte der Realwelt polemisch zu

Wien - Wer in Österreich vorgab, etwas zu gelten, der lief Gefahr, in einem von Werner Koflers wutschäumenden Prosatexten aufzuscheinen. Der Villacher Kaufmannssohn, ein Virtuose im Umgang mit den eher unliebsamen Aspekten der heimischen Wirklichkeit, nannte die Popanze des Ungeists häufig genug beim bürgerlichen Namen.

Für flüchtige Lektüren eignen sich Koflers Bücher schwerlich. Wer in seinen Beschwörungslitaneien nach Prominenten fahndet, der stößt auf Politiker, Schauspieler und Boulevardschmieranten. Doch wer sich auf den "Echtheitsgehalt" der handelnden Personen versteift, verpasst das Beste.

 

Der Tatbestand der Wirklichkeitsverdrehung macht die Wirkung dieser geschliffenen Texte nur zum geringsten Teil aus. Kofler besaß die Fähigkeit, Verhältnisse, die nicht nur er als unerträglich empfand, durch die Mittel der Unterstellung zur Kenntlichkeit zu bringen. Kofler streute daher Gerüchte aus: Er schwärzte an, er mutmaßte und übertrieb. Obendrein sammelte er Beweismittel und leitete umständliche Verfahren ein.

Wirklichkeitszerstörung

Kunst müsse "die Wirklichkeit zerstören", schrieb dieser liebende Berserker in seinem Band Am Schreibtisch (1988). Aber: "Die Wirklichkeit macht ungeniert weiter, die Wirklichkeit schert sich keinen Deut um die Zerstörung, die ihr in der Kunst zugefügt wird, die Wirklichkeit ist schamlos, schamlos und unverbesserlich."

Das Tiradenhafte, das Koflers Einlassungen auszeichnet, hat man oft genug an der Vorbildwirkung Thomas Bernhards gemessen. Kein Hinweis führt gewisser in die Irre als dieser: Kofler, der seine Lehrerausbildung früh abbrach und bereits 1968 als freier Schriftsteller nach Wien übersiedelte, trieb ein anderer Zorn um. Die Wirklichkeit - "eine üble Sache", so Kofler - befeuerte seinen Ingrimm. Er rechnete bereits 1975 (in Guggile) mit den Besonderheiten der Kärntner Lebenswelt ab und entwickelte die Grundzüge einer schwarzen Pädagogik, mit der er die "Erinnerungspolitik" in ihre verlogenen, politisch missbräuchlich verwendeten Teile zersetzte.

Koflers Literatur, lange Jahre beim Rowohlt-Verlag heimisch, als dieser noch auf Schärfe und Qualität achtete, lässt sich mit einem Nietzsche-Wort verstehen: Kaprizierte sich dieser darauf, mit dem Hammer zu philosophieren, so praktizierte Kofler seine Dichtkunst mit dem Hammer. Über der Unversöhnlichkeit seiner Einlassungen vergisst man leicht die Musikalität seiner weit ausgespannten Satzperioden. Man unterschlägt sein feines Gehör für die Rede der sogenannten "Geisteskranken" (Ida H., 1978), und man missachtet die Melancholie, die über den Zeilen dieses (vermeintlich) Tobsüchtigen zu schweben scheint: nachlesbar in seinem letzten Prosabuch, dem berührenden Selbstvergewisserungstext Kalte Herberge (2007).

Werner Koflers Theatersatire Tanzcafé Treblinka war eine niederschmetternde Bestandsaufnahme der Infamie. Insofern Kofler den Ungeist auch in den entlegensten Tälern und Nischen der österreichischen Verlautbarungskultur aufstöberte, war er ein wahrer Weltautor: Nur ein solcher pflegt keine Kompromisse einzugehen. Jetzt ist Werner Kofler nach langer, schwerer Krankheit 64-jährig in Wien gestorben.

 

Nachruf NZZ online, 10.11.2012

Er war einer der grossen, zornigen Virtuosen der deutschen Sprache. Doch in letzter Zeit wurde er zu wenig und fast nur noch in Österreich wahrgenommen, was auch daran lag, dass er im vergangenen Jahrzehnt bloss noch zwei schmale neue Bücher veröffentlicht hatte. Werner Kofler, geboren 1947 in Villach, gestorben vorgestern in Wien nach langer peinigender Krankheit, hat mehr als zwanzig Bände publiziert. Seine Parabel als funkelnder und letztlich glückloser Literaturkomet ist auch in der Geschichte seines Verleger-Wechsels zu sehen: fünf Bände bei Wagenbach, fünf bei Rowohlt, dann nur noch Bücher bei kleinen und immer kleineren Verlagen in Österreich, teilweise Neuauflagen aus besseren Zeiten. Dabei hatte der geniale Polemiker einst nicht nur sehr viel und ganz Ungeniertes zu sagen, er schrieb es auch bis zuletzt in einer Prosa von unerhörter Musikalität und Schrittfestigkeit.
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Koflers glänzender Aufstieg begann 1975, als der Wagenbach-Verlag zur deutschen Vorhut gehörte, mit dem Roman «Guggile» über seine Kindheit im post-Nazi-biederen Kärnten. Den fast unsichtbaren Schlusspunkt seiner Karriere setzte er 2010 mit dem sehr schlanken, aber immer noch brillanten Prosaband «Zu spät» im Wiener Sonderzahl-Verlag, der kaum noch die Eingeweihten des Literaturbetriebs erreichte – das verlässliche Innsbrucker Zeitungsarchiv registriert eine einzige Rezension.

«Zu spät» besteht aus zwei Texten, die exemplarisch zwei Leitthemen von Kofler variieren: die unzumutbare Gegenwart und die verbrecherische Vergangenheit. Im ersten Teil kommt ein erzählendes Ich «zu spät» in sein «Kindheitsgelände» zurück, findet nicht den Garten, sondern eine Baugrube, nicht den «Kindheitskirschbaum», sondern nur Verwüstung durch einen Kärntner Spekulanten. Im zweiten Teil geht es um den Film «Tiefland», bei dem 1940/41 Roma-Komparsen mitgewirkt hatten, die später in Auschwitz ermordet wurden. Die berüchtigte Regisseurin Leni Riefenstahl, der honorige Schauspieler Bernhard Minetti und der berühmte Jean Cocteau, der den Film 1953 wieder lancierte – sie alle werden von Kofler durch seinen an Karl Kraus geschulten Reisswolf der Sprache gedreht.

Im bösen Witz seiner Texte grenzte Kofler sich immer durch Unversöhnlichkeit vom landläufigen Humor ab. Er war kein friedliebender Grüner, sondern ein rabiater Gegner jeglicher Naturzerstörung, zumal in seinem Kärnten und vonseiten der dortigen politischen Hasardeure. Deren Nazi-Sympathien brachte er in vielen Werken in Verbindung mit ihren Machenschaften in der Gegenwart und mit der NS-Mordmaschinerie der Vergangenheit, etwa in der grandiosen Erzählung «Mutmassungen über die Königin der Nacht» (1989) oder in den Bühnenmonologen von «Tanzcafé Treblinka» (2001). In seiner Wahlheimat Wien betrieb er die hohe Kunst des Nörgeln auch als Privatsache, vor allem gegen die Boulevardpresse. Die Namen vieler Bösewichter sind in seinen Büchern für die Zukunft vermerkt.

 

Lebensweg

Werner Kofler

Geb. 23.Juli 1947 in Villach,gest. 08. Dezember in Wien, lebte und arbeitete in Wien/Österreich

Stationen u.a.: Lehrerbildungsanstalt. Seit 1968 freier Schriftsteller.

Arbeitsgebiete: Gedicht, Erzählung, Roman, Hörspiel

Auszeichnungen/Ehrungen/Preise (Auswahl): Elias Canetti-Stipendium (1987). Österreichischer Würdigungspreis für Literatur (1990). Arno Schmidt-Preis (1996/97). Kulturpreis des Landes Kärnten (2004).
Veröffentlichungen (Auswahl): Guggile.Vom Bravsein und Schweinigeln, Eine Materialsammlung aus der Provinz (1975/2004, Deuticke). Oliver, Hörspiel (1982). Hotel Mordschein, Prosa (1989). Der Hirt auf dem Felsen, Prosa (1991). Herbst,Freiheit (1994). Szenen aus dem Salzkammergut (1996). Wie ich Roberto Cazzola in Triest plötzlich und grundlos drei Ohrfeigen versetzte, Versprengte Texte (Wespennest). Aus der Wildnis (1998). Manker (1999). Ida H. (2000). Tanzcafé Treblinka (2001). Kalte Herberge, Bruchstücke (2004, Deuticke). Triptychon:Am Schreibtisch/Hotel Mordschein/Der Hirt auf dem Felsen, Prosa (2005, Deuticke).

 

Textbeispiel

…Die Wut also fehlt? Eine Wut, eine Wut, habe ich aber eine Wut! Kennen Sie übrigens schon meinen Triestroman in einem Satz, nein? Laß Triest aus dem Spiel, sagte sie bitter ... Gut, nicht? Ah, wie gerne würde ich noch kürzere Romane und Novellen schreiben, wie gerne würde ich nichts mehr schreiben, überhaupt nichts mehr, aber meine Nichtlesergemeinde, die Millionen und Abermillionen, die nach meiner Literatur nicht verlangen, zwingen mich, damit fortzufahren ... Aber keine Frage, irgendwann werde ich alle, die nichts von mir hören wollen, mit Verstummen und Schweigen bestrafen ... Und sollten sie noch so sehr nichts von mir hören oder lesen wollen, ich werde mich nicht umstimmen lassen, nicht ich. Unerschütterlich werde ich sein, spottbillig, überglücklich, Sie verstehen schon ... Die Wut also? Warnleuchte, ja? Ein Tritt, und die Warnleuchte fliegt in hohem Bogen ins Postamt gegenüber dem Il Posto. Die Wut, was war mit ihr? Ja richtig, sie fehlt, so war es. Soll ich wieder über andere herfallen? Sollte ich welche übersehen haben, die deshalb der irrigen Ansicht sind, es läge nichts gegen sie vor? Oswald Wiener zum Beispiel, soll ich sagen: Oswald Wiener, ein Scharlatan, die Verbesserung von Mitteleuropa, ein hochtrabender Scheißdreck, soll ich? Gut, ich werde sagen: Oswald Wiener, ein Scharlatan, die Verbesserung von Mitteleuropa, ein hochtrabender Scheißdreck ... Oder soll ich mich in Graz einmal umtun, die sogenannten MANUSKRIPTE mir einmal vornehmen, das Forum Stadtpark, den Steirischen Herbst, soll ich? Gut, die Grazer Dichtertrottel, werde ich sagen, die Ausdünstungen des Steirischen Herbstes ... Die Wut, wäre sie das? Nein? Soll ich die Namen Gerhard Roth, Erich Hackl nennen, und hinzufügen: Kuscheliger Antifaschismus? Soll ich? Ah, ich werde meine Stimme erheben: Gerhard Roth, kuscheliger Antifaschismus ... Erich Hackl, kuscheliger Antifaschismus ... Einen Vergleich werde ich anregen und eine Vertonung: Udo Jürgens und Erich Fried, ein Vergleich, werde ich vorschlagen, und: Udo Jürgens singt Erich Fried ... Soll ich?“…Aus: „In meinem Gefängnis bin ich selbst der Direktor“, (S. 144/145) In meinem