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Home | Friedhöfe | Zentralfriedhof | Opfergräber | Justizpalast 1927

Justizpalastbrand 1927 - Zivilisten
Gruppe 41 G, Nr. 1 - 66

   

Zentralfriedhof, Tor 2, Gruppe 41 G, Nr. 1 - 66
Künstler: Anton Hanak, 1928
Inschrift: Den Opfern des 15., 16. Juli 1927 und Opfernamen

Im Jahre 1927 wurde der Justizpalast von Demonstranten in Brand gesteckt. Der Polizeipräsident Schober gab Schießbefehl. Viele Menschen starben im Kugelhagel der Polizei. Hier ruhen 66 Demonstranten, die auf Kosten der Stadt Wien beerdigt wurden. Die Opfer der Exekutive, vier Polizeibeamte, wurden in Gruppe 118 beigesetzt.

 
Aufbahrung der Opfer vor dem Tor 2
   

Demonstration im Februar 1927 in Schattendorf

Schattendorfer-Prozess 14. Juli 1927

Justizpalastbrand 15. Juli 1927

Karl Kraus und das 90. Opfer

Die Folgen

Schattendorf heute

 

Die zivilen Opfer der des Justizpalastbrandes

Schattendorf Februar 1927

Die Vorgeschichte des Justizpalastbrands

Der erste Weltkrieg war zu Ende, die Kämpfe wurden eingestellt. Waffen waren aber noch jede Menge da. Und so bildeten sich allmählich Parteiarmeen heran: „zur Grenzsicherung“.
So hatten die Schwarzen ihre Heimwehr, die Roten ihren Schutzbund und die Rechten ihre Frontkämpfer. Immer wieder kam es zu Scharmützeln zwischen den einzelnen Gruppen.

Im Jahre 1927 organisierten die Schutzbündler einen Aufmarsch im burgenländischen Schattendorf.

Als sie an dem Gasthaus vorbeikamen, in dem die Frontkämpfer ihr Vereinstreffen hatten, begannen Wortgeplänkel: „Du Trottel!“ „Ich Trottel? – Du Trottel!“ Bald flogen Steine und plötzlich fielen Schüsse und es gab zwei Tote unter den Schutzbündlern: einen Mann und einen unbeteiligten 8-jährigen Buben aus der Ortschaft. Das war im Februar.

Schattendorfer Prozeß 14. Juli 1927

Im Juli darauf folgte der Prozess gegen die angeklagten Frontkämpfer, aber vorsätzlicher Mord konnte ihnen nicht nachgewiesen werden. Die Angeklagten hatten auf ‚berechtigte Notwehr’ plädiert und wurden freigesprochen.

Als das Urteil bekannt wurde, brodelte es in der roten Arbeiterschaft. Am nächsten Tag protestierten sie gegen dieses 'Schandurteil' und marschierten Richtung Parlament mit der Devise "Wir greifen zur Selbsthilfe".

Justizpalastbrand 15. Juli 1927
Die Demonstranten wurden von der berittenen Polizei Richtung Justizpalast abgedrängt, dort schlugen sie die Fenster mit Steinen ein und setzten das Gebäude in Brand.
Als die Feuerwehr kam, um zu löschen, wurden sie von der aufgebrachten Menge daran gehindert, an den „Feind der Klassenjustiz“ heranzufahren. Der spätere Bundespräsident Theodor Körner und der Bürgermeister Karl Seitz versuchten vergeblich, die tobende Menge zu beruhigen und zur Vernunft zu bringen (Seitz: Mann mit Glatze auf Bild unten).

Schließlich gab der Polizeipräsident Schober den Schießbefehl. An diesem und auch noch am nächsten Tag gab es viele Verletzte und Getötete. Das Feuer hatte insgesamt 14 Stunden gewütet gehabt, denn auch die begonnenen Löscharbeiten wurden boykottiert mittels durchgeschnittener Löschschläuche, bzw. mit aufgedrehten Hydranten, die den Wasserdruck fallen ließen.

Eine Gedenktafel im Justizpalast hält die Zahl der Toten mit 89 fest.

Der Schießbefehl kam vom Polizeipräsidenten Schober
Abtransport von Verletzen
nach dem Brand im Justizpalast
verbrannte Akten

 

Karl Kraus und der 90. Tote

Es gab jedoch 90 Tote: Ein 16-jähriger Bursche, der kein Julidemonstrant gewesen war, sondern auf einem Botengang den Rand des Geschehens passiert hatte, starb am 27. Dezember 1927.

„Man wirft uns vor, dass wir Sozialdemokraten ,noch immer' vom 15. Juli reden”, schrieb tags darauf unter dem Titel „Der Neunzigste” die Arbeiterzeitung. „Noch immer Angriffe wegen des 15. Juli, Herr Schober? Noch immer Tote wegen des 15. Juli, Herr Schober!”

Karl Kraus befasste sich in den nächsten beiden Nummern der Fackel ausführlich mit dem neunzigsten Opfer. Hans Erwin Kiesler war von fliehenden Demonstranten mitgerissen worden, wobei ihn drei Kugeln der Polizisten trafen. Er erlitt einen Durchschuss der rechten Mittelhand, wodurch diese gebrauchsunfähig wurde, einen Durchschuss des rechten Oberschenkels und einen Fleischschuss im Gesäß. Der Oberschenkelschuss brachte schwere Komplikationen mit sich: eine Knochenmarkentzündung, die nach 14 Tagen zu einer allgemeinen Sepsis führte.

Karl Kraus
 

 

Diese Sepsis verursachte zunächst eine Herzbeutelentzündung, bis zum 29. August kamen schwere Liegewunden hinzu, die eine Oberführung ins Wasserbett erforderlich machten. Im Dezember drang die Sepsis ins Gehirn ein und hatte nach einer 14tägigen Agonie den Tod zur Folge.

Während seines sechsmonatigen Leidens im Allgemeinen Krankenhaus kümmerten sich Mutter und Bruder aufopfernd um den Burschen und schafften sogar medizinische Apparate an, die im Spital nicht vorhanden waren.
Als sie später bei der Polizei um Vergütung der Barauslagen in Höhe von 4.000 Schilling ansuchten, erhielten sie lediglich 500 Schilling.

Karl Kraus startete daraufhin eine Spendenaktion.

Er eröffnete die Sammlung mit der Spende von 1.000 Schilling, die ein Antiquariat für den Ankauf eines Manuskripts bezahlt hatte. Bei fünf Vorträgen konnte Kraus den fehlenden Betrag von 2.500 Schilling sammeln.

 
Die Fackel, Titelblatt

Folgen des Justizpalastbrands

Der Prozess von Schattendorf, der Justizpalastbrand, die blutige Niederschlagung der Arbeiterdemonstration (Julirevolte) hatten in den Folgejahren große Auswirkungen auf die österreichische Geschichte: Der Republikanische Schutzbund wurde verboten, der SDAP-Bürgermeister Karl Seitz wurde seines Amts enthoben und verhaftet, bald darauf wurde der Ständestaat ausgerufen …
statt Säbel wurden Gummiknüppel eingeführt

In amerikanischen und britischen Großstädten war der Gummiknüppel seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Einsatz. Als man ihn mit Verspätung in Wien einführte, galt er als humane Neuerung. Bis dahin verwendeten die Ordnungshüter zur Maßregelung von Missetätern Säbel oder bestenfalls hölzerne Schlagstöcke.

Es waren die blutigen Folgen der Demonstrationen vom Juli 1927 mit 89 Toten und zahllosen Verletzen, die die Wiener Polizei zum Überdenken ihrer traditionellen Bewaffnung veranlassten. Schon 1928 wurde in einem Erlass festgelegt, dass der schwere Verletzungen verursachende lange Spangenkorbsäbel durch den kurzen Stecksäbel, vor allem aber durch den minder gefährlichen Gummiknüppel zu ersetzen sei. Der runde, schwingende Stab aus Hartgummi mit Leineneinlagen war in seiner Wiener Variante 38 cm lang und hatte einen Durchmesser von drei Zentimetern.

Um der neuen Vorschrift zu entsprechen, dass Waffen nur unter größtmöglicher Schonung von Menschenleben anzuwenden seien, war der Gummiknüppel vornehmlich gegen die Muskelpartien der Arme und Beine zu richten. Schläge auf den Kopf und ins Gesicht galt es tunlichst zu vermeiden.

 

Schattendorf heute
Im Burgenland hat das Drama bis heute kein Ende gefunden. Der kleine getötete Bub Josef Grössing wurde in seinem Heimatort Schattendorf beigesetzt.

1968 wurde der Gottesacker verkleinert, des Buben Grabstelle lag dann außerhalb des Friedhofareals.

Jetzt liegt er unter einer dicken Asphaltdecke: offensichtlich hat man seine Gebeine nicht exhumiert, als man über der Grabstätte eine Straße anlegte.
Denn das neu errichtete Grab innerhalb des verkleinerten Gottesackers ist leer.

An der Aufbahrungshalle erinnert eine Gedenktafel an den Pepi, der bis heute für Aufregung sorgt.

leeres Grab des Schattendorf-Opfers Josef Grössing
 

Link: Kurzfilme vom Justizpalastbrand